Während des Spielens des schönen
Indie-Games „Kingdom“ von Raw Fury sind mir einige Parallelen zwischen dem
Spiel und der Geschichte des frühen Mittelalters aufgefallen. Im folgenden Text
versuche ich diese Parallelen mithilfe von einigen Beispielen aufzuzeigen.
Zum Beginn sieht man, dass das
vorige Königreich zerfallen ist und Unordnung herrscht. Alle Menschen sind nur
mit dem eigenem Überleben beschäftigt
und damit ist die Förderung der Zivilisation zum Stillstand gekommen. Die
geschichtliche Parallele hierzu wäre der Verfall des Römischen Reiches und das
daraus entstandene Machtvakuum. Doch in diesem Vakuum erscheint ein König mit
Autorität und Geld. Im Spiel wird dies einfach ausgegeben, jedoch werden in
Realität diese Bedingungen zum Herrschen in den Wirren des Römischen Zerfalls
und der Völkerwanderung gewonnen sein. Das Geld könnte als geplünderter Schatz
aus den römischen Provinzen oder Rom selbst stammen und die Autorität könnte
Kampferfahrung gegen andere Stämme oder die Überreste der Römischen Armeen
sein. Das gewonnene Geld darf jedoch nicht als Hortgold versteckt oder
gehortet, sondern muss an Untergebene verteilt werden damit eine Gesellschaft
entstehen kann.
Im Spiel beginnt man damit
Bogenschützen als Jäger bzw. Krieger zur Verteidigung anzuheuern und Handwerker
mit dem Bau einer Siedlung mit Verteidigungsanlagen zu beauftragen. Durch diese
Investition des Herrschers erschafft er neue Berufe und eine rudimentäre
Arbeitsteilung. Die Nahrungsbeschaffung ist durch die jagenden Krieger
gesichert, also können sich die Handwerker auf ihren Beruf konzentrieren, statt
mehrere Berufe auf einmal zu bewältigen (Bauer/Jäger zur Nahrungsbeschaffung,
Krieger zur Selbstverteidigung, Handwerker zu Ausführung von Reparaturen etc.)
wie vor der Arbeitsteilung. Der König kann nun Steuern auf seine Untertanen
erheben und erhält so seine Investition zurück. Das Geld investiert er wieder
in sein Königreich, welches dadurch weiter wächst. Durch gewährte Sicherheit,
gesicherte Nahrung und Berufe werden weitere Bewohner in das Königreich
gelockt.
Dieses Wachstum bedeutet eine
größere Nachfrage an Nahrung. Diese kann von den Neuankömmlingen selbst
bewältigt werden, da die Arbeitsteilung vergrößert wird indem sich Bauern
ausschließlich auf die Landwirtschaft konzentrieren und die Krieger nur noch kämpfen.
Jedoch wird hierfür mehr Land benötigt.
Der König gibt nun die Abholzung und Rodung von Wäldern in Auftrag und neues,
bebaubares Land wird befriedet und erobert. Der König besteuert nun diese
Bauern und die Wirtschaft des Königreiches wächst. Durch das
Wirtschaftswachstum werden auch Kaufleute angezogen, die ihre Waren im
Königreich verkaufen. Diese Trends gab es auch tatsächlich. Ab dem 10.
Jahrhundert wurde im 10. Jahrhundert eine eigene Kriegerkaste eingeführt, um
mehr Spezialisierung und Arbeitsteilung zu erhalten, auch wenn es den Bauern
Rechte kostete, wie beispielsweise mit dem Pferd in die Schlacht zu ziehen.
Außerdem wurden um diese Zeit viele Sümpfe trocken gelegt und Wälder gerodet um
mehr Ackerland für die wachsende Bevölkerung zu erhalten. Es gibt bspw. aus
dieser Zeit viele Siedlungen mit der Silbe „Rod“ im Namen.
Die Arbeitsteilung verfeinert
sich im Spiel noch mehr mit dem Auftritt von Rittern, die nur noch auf dem
Kampf spezialisiert ist. Wie in der Realität fressen Militärausgaben im Spiel
die Steuern auf, und so muss sich der König direkt an die Bauern wenden, wie er
das in der Vergangenheit auch oft tun musste. Aber die Organisation des
Militärs verbessert sich auch im Laufe der Zeit, die Ritter tragen Wappen und
die Krieger werden langsam zu Soldaten, ihre grau-braunen Mäntel werden zu
Uniformen in der Farbe des königlichen Wappens.
Die Gewinne des Königs bleiben
jedoch nicht nur in der eigenen Tasche, Überschüsse können am
Architekturschrein in verbesserte Verteidigungsanlagen investiert werden, die
der Sicherheit aller dienen, oder den Göttern als Opfer dargebracht werden, um
sie wohlzustimmen. Außerdem gibt es im Spiel die wohl bildlichste Darstellung
von „Trickle-Down-Economics“, denn wenn der Beutel des Königs zum Überlaufen
voll ist, fallen die überschüssigen Münzen auf den Boden, wo die Untertanen sie
aufsammeln.
So hat sich von nichts eine arbeitsteilige
Gesellschaft geformt in der es eine Kriegerkaste gibt, die Sicherheit aller
übernimmt, und es Berufe gibt, in denen sich ausschließlich mit der Herstellung
oder dem Handel von Materialen und Ressourcen beschäftigt wird. Außerdem werden
durch die boomende
Wirtschaft Technologie und Kultur
gefördert, wo am Anfang Menschen noch ums nackte Überleben kämpften.
Die Monster im Spiel sind mit
Räubern, Banditen, Marodeuren und Plünderern zu vergleichen. Im Zeitalter nach
dem Zusammenbruch des römischen Reichs versuchten verschiedenste Stämme und
Fraktionen, sich dessen zu bemächtigen, was nun nicht mehr beschützt wurde. Die
Monster sind hinter den Goldmünzen und hinter der Krone her, wenn man sie
fallen lässt hauen sie mit den Goldmünzen ab. Sie töten nur Krieger und lassen
Zivilisten in Ruhe, wenn sie nicht mehr zum König gehören und scheinen nur
Chaos zusähen. Sie erinnern mich an Wikinger, die über die wiederaufgebauten
Königreiche der Angelsachsen herfielen. Sie plündern und verschwinden wieder so
wie es die Monster im Spiel ebenfalls tun würden. Es erscheint so als könne man
sich von ihnen freikaufen, so wie es Æthelred der Unberatene, König von
England, versuchte, aber er stand lediglich der nächsten Invasion mit weniger
Geldmitteln gegenüber. Doch die einzige funktionierende Taktik ist die von
Alfred dem Großen, König von Wessex. Dieser ließ im ganzen Reich Burgen und
befestigte Städte errichten, um die schnellen Plünderzüge, für die die Wikinger
berüchtigt waren zu unterbinden und sie, als er stark genug war, im Feld zu
schlagen, wie etwa im Spiel, wo man verteidigen ausharrt, bis man mit Feldzügen
gegen die Portale zurück schlägt. Alfred der Große rettete so Wessex, das
einzige nicht eroberte angelsächsische Königreich vor dem Untergang, und begann
die Rückeroberung und Einigung der Königreiche zu der Nation England.
Jedoch ist in dem Spiel ein
Scheitern inbegriffen. So war es auch in der Geschichte dieser Zeit, dass es
ein Versuch war, das Alte wiederaufleben zu lassen, was aber niemanden wirklich
gelang. Könige wie Alfred und Karl der Große waren sehr nahe dran, und waren
Lichtblicke im sogenannten finsteren Mittelalter, jedoch verloschen diese im
Laufe der Zeit und Scheiterten an ihren Nachfolgern und machten klar, dass das
Zeitalter des Römischen Reiches doch tatsächlich vorbei war.
So schafft es „Kindom“ sehr
anschaulich, die Entwicklung vom Chaos nach dem Verfall des römischen Reiches
bis zum kulturellen Hochpunkt des Hohen Mittelalters darzustellen, verbunden
mit vielen „Aha“-Momenten und zeigt auch fundamentale Funktionen von Geld und
Macht auf – und durch seine schöne Präsentation und Spielspaß ist es auch ein
schöner Zeitvertreib.
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